veröffentlicht am 19. September 2022 in der Kategorie Ernährung für Erwachsene

Um die ernährungsrelevanten Herausforderungen von Menschen mit Kopf-Hals-Tumor (KHT) zu diskutieren, hat Nutricia Milupa – im Rahmen des DGEM-Kongresses „Ernährung 2022“ – am 23. Juni 2022 drei ExpertInnen zu einem Round-Table-Gespräch eingeladen:

  • Aus Österreich: Lisa Pieter, BSc Diätologin, LKH-Universität Klinikum in Graz
  • Aus der Schweiz: PD Dr. med. Jörg Bohlender, Leiter Abteilung Phoniatrie & Klinische Logopädie, Universitätsspital in Zürich
  • Aus Deutschland: Frank Denecke, Betroffener & Psychoonkologe, Selbsthilfe-Kompetenz-Zentrum für Kopf-Hals-Tumore in Bremen
  • Moderation: Traute Heine, Healthcare Sales Excellence Training Manager bei Nutricia Milupa

Die Expertenrunde machte deutlich, dass Menschen mit einem Kopf-Hals-Tumor (KHT) – abhängig von Art und Lage des Tumors, der Operation sowie Radio-Chemotherapie – durch Schluckstörungen ein Leben lang in ihrer Ernährung eingeschränkt sein können. Auf ihrem Krankheitsweg erleben diese PatientInnen oftmals eine Reihe von „Stolpersteinen“, die zu Gewichtsverlust und Mangelernährung mit weitreichenden Folgen für den Behandlungserfolg und die Lebensqualität der Erkrankten führen können:

Stolpersteine, die im Krankheitsverlauf von KHT-PatientInnen auftreten können:

  • Der Tumor wird durch den Hausarzt oftmals nicht schnell genug erkannt, wodurch viel Zeit vergeht, bevor die Diagnose gestellt wird.
  • Bei der Aufnahme in die Klinik und im weiteren Verlauf der Therapie erfolgt nicht immer eine angemessene Erfassung des Ernährungszustandes der PatientInnen, sodass Gewichtsverlust sowie Mangelernährung nicht frühzeitig erkannt und behandelt werden können.
  • Nach der Entlassung aus der Klinik sind die PatientInnen und teilweise auch deren Hausärztinnen und Hausärzte durch unzureichende Information und Hilfestellung überfordert, was zu einer Verschlechterung der Symptomatik führen kann.

Für eine optimale Unterstützung des Heilungserfolges ist nach Meinung der ReferentInnen daher ein guter Ernährungszustand notwendig. Je besser der Ernährungszustand der Betroffenen sei, umso größer sei die Wahrscheinlichkeit einer guten und schnellen Genesung.

Durch geeignete Screenings – bereits vor der Operation, während des Klinikaufenthalts und bei bzw. nach der Klinikentlassung – kann eine Mangelernährung frühzeitig erkannt und behandelt werden.

„Ein Screening auf Mangelernährung sollte Standard sein, unter anderem unter Berücksichtigung von Gewicht beziehungsweise Gewichtsverlust, Body-Mass-Index, Appetitverlust, Übelkeit, Erbrechen/Diarrhoe, Appetitlosigkeit und Schluckbeschwerden. Wichtig ist dabei die Selbsteinschätzung der Betroffenen.“

Lisa Pieter, Diätologin

Teil der Behandlung von KHT-Erkrankten ist eine den Schluckschwierigkeiten angepasste Ernährung, oftmals kurz- bis mittelfristig unterstützt durch hochkalorische und eiweißreiche Trinknahrungen sowie bei Bedarf durch enterale Ernährung, verabreicht über eine nasogastrale oder PEG-Sonde.

„Bei Einsatz einer PEG-Sonde ist es wichtig, immer die gesamte Kau- und Schluckstruktur im Mund-Rachenraum in Funktion zu halten, die sonst droht zu degenerieren. Je besser die PatientInnen und deren Angehörigen hier informiert, beraten und trainiert sind, umso größer ist der Heilungserfolg.“

Dr. med. Jörg Bohlender, Phoniater

Für eine optimale Betreuung der PatientInnen ist laut Expertengremium ein interdisziplinärer Ansatz unbedingt erforderlich. Dazu sollten, neben den ärztlichen Bereichen, insbesondere die Diätologie/Ernährungsberatung sowie die Logopädie gehören. Speziell die Aufklärung der Betroffenen hinsichtlich der Bedeutung der Ernährung bzw. des selbstständigen Essens erfolge oftmals gar nicht oder nur in unzureichendem Ausmaß.

Zudem sollte zukünftig die Prähabilitation einen höheren Stellenwert bei der Therapie von KHT-Betroffenen bekommen. So werden aktuell die KHT-PatientInnen und deren Angehörige am Universitätsspital in Zürich im Rahmen eines „Pre-Assessments“ bereits im Vorfeld einer Bestrahlung oder Operation beraten und geschult, wodurch sie frühzeitig auf die möglichen Folgen der Therapie vorbereitet werden. Die Erfahrungswerte zeigen, dass hierdurch die Betroffenen anschließend mit den therapiebedingten Herausforderungen besser umgehen können und insgesamt ein positiver Effekt auf das Outcome (posttherapeutische Komplikationsrate sowie Lebensqualität der Betroffenen) zu verzeichnen ist.

Eine besondere Rolle können Betroffene spielen, die bereits erfolgreich eine Therapie durchlebt haben und die aufgrund ihrer Erfahrungen oftmals die PatientInnen besser „erreichen“ können als das medizinische Fachpersonal.

„Als Betroffener kann ich sagen, dass die Selbstmotivation der PatientInnen extrem wichtig ist. Man sollte immer versuchen, sich von der Erkrankung nicht unterkriegen zu lassen, sondern positiv nach vorne zu schauen und immer ein freudvolles Leben im Visier zu haben. Hier spielen geeignete Selbsthilfegruppen eine Schlüsselrolle.“

Frank Denecke, Betroffener

Die ExpertInnen des Round-Table waren sich einig, dass die diskutierten ernährungsrelevanten Faktoren – guter Ernährungszustand, Screenings auf Mangelernährung, angepasste Ernährung, unterstützt durch Trinknahrungen sowie nasogastrale oder PEG-Sonde, Kau- und Schlucktraining sowie ein interdisziplinärer Ansatz unter Hinzuziehung von Diätologie, Logopädie und ehemalig Betroffenen – bei der Therapie von KHT-PatientInnen angemessen berücksichtigt werden müssen. Hierdurch könne die Chance auf eine gute Heilung, eine schnelle Wiedereingliederung in das Sozial- und Arbeitsleben sowie die Wiedererlangung einer hohen Lebensqualität positiv beeinflusst werden.

Nutzen Sie unser zertifiziertes Fortbildungsangebot zu diesem Thema:

Am Ernährungszustand hängt die Prognose von Erkrankten - zweiteilige medizinische Fortbildungsreihe (aus Sicht des Arztes und aus Sicht des Betroffenen)

Weitere Artikel zum Thema:

fortimel_dkk_videopraesentation_still

5. Januar 2023 // Ernährung für Erwachsene

Prähabilitation bei onkologisch-chirurgischen Patienten

Es ist wissenschaftlich belegt, dass 25% aller Patienten der deutschen Krankenhäuser mangelernährt sind und dies zu einer Verlängerung des Krankenhausaufenthaltes führt. Mehr als 1/3 der Patienten leiden unter einer Tumorerkrankung, eine Vielzahl der Patienten muss sich im Rahmen der Tumortherapie einer chirurgischen Intervention unterziehen. Risikofaktoren sind dabei das Vorliegen eines metabolischen Risikos sowie ein erhöhtes Alter über 70 Jahre und die Schwere der Grunderkrankung insbesondere bei Vorliegen einer Tumorerkrankung.