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Übergewicht ist eine der großen Herausforderungen unserer Zivilisation, denn es kann weitreichende Auswirkungen auf die langfristige Gesundheit haben und damit hohe Gesundheitskosten verursachen. Die Anlage zu Übergewicht wird heute bereits im Säuglingsalter vermutet, wenn nicht sogar schon während der Zeit der Schwangerschaft. Unsere Interviewpartnerin dazu ist Moenie van der Kleyn. Zusammen mit Professor Dr. Erwin Zinser leitete sie das „Josef Ressel Zentrum für die Erforschung von Prädispositionen der perinatalen metabolischen Programmierung von Adipositas“ an der Fachhochschule Joanneum Graz in Österreich. Unternehmenspartner des Josef Ressel Zentrums ist die Danone Österreich GmbH, Nachfolgerin der Nutricia Milupa GmbH.
Moenie van der Kleyn, MSc Public Health (MPH) und Hebamme, bis 2023 Vorsitzende des Departements Gesundheitsstudien und Leiterin des Studiengangs „Hebammen“ an der Fachhochschule Joanneum Graz – heute dortige Dozentin in Altersteilzeit.
- Frau van der Kleyn, können Sie uns Ihr Forschungsvorhaben schildern?
Gerne. Uns ging es um die Erforschung möglicher Vorhersagevariablen für die Entstehung von Übergewicht und Adipositas. Dabei fokussierten wir auf die Phase von der Schwangerschaft bis zum zweiten Lebensjahr, da wir annehmen können, dass das Ernährungsverhalten in diesem Zeitraum bereits einen nicht mehr umkehrbaren metabolischen Pfad in Richtung der Entwicklung von Fettleibigkeit prägt.
- Welchen Umfang hatte Ihre Studie?
Wir verfolgten einen interdisziplinären Ansatz mit Expertinnen und Experten aus den Bereichen Hebammenwesen, Medizin, Pflege, Ernährung, Psychologie, Biochemie und Informationstechnologie. Als Probanden wurden normalgewichtige gesunde Frauen und deren normalgewichtige gesunde Kinder rekrutiert. Dabei wurden voll gestillte Kinder mit nicht gestillten – ausschließlich mit Formula ernährten – Kindern zu den Zeitpunkten 8. und 16. Lebenswoche sowie ein und zwei Jahren verglichen. Unser erstes Hauptaugenmerk bei der Auswertung unserer Ergebnisse lag insbesondere auf dem Ernährungsverhalten.
- Was hat es mit dem Ernährungsverhalten auf sich?
Uns liegen die Ergebnisse zum mütterlichen Fütterungsstil und dem kindlichen Essverhalten vor. Aus anderen Studien war bereits bekannt, dass ein insgesamt kontrollierender Fütterungsstil der Mutter zu einem höheren Risiko für späteres kindliches Übergewicht führt, dagegen ein weniger kontrollierender Fütterungsstil mit einem gesünderen Essverhalten und einer gesünderen Gewichtsentwicklung im Kindesalter verbunden ist. Ein kontrollierender Fütterungsstil zeigt sich beispielsweise in der regelmäßigen Überwachung der Gewichtszunahme des Kindes. Manche Mütter neigen auch dazu, Milchmahlzeiten zu limitieren, zum Beispiel, indem sie die Fütterungsintervalle strecken, damit das Kind weniger häufig isst. Auch das Gegenteil, ein stärkeres Aufzwingen von Mahlzeiten, ist verbreitet, beispielsweise wenn ein Baby, das während der Fütterung einschläft, aufgeweckt wird, um die Mahlzeit zu beenden.
- Was haben Sie herausgefunden?
Basis unserer Untersuchungen waren spezielle Fragebögen, die von den Müttern ausgefüllt wurden. Bei der Auswertung stellten wir fest, dass vor allem der Zeitraum um die 16. Lebenswoche ein kritischer Zeitpunkt in Bezug auf die Anwendung sowohl mehr kontrollierender als auch limitierender Fütterungspraktiken zu sein scheint. Dabei verkürzte ein höherer Grad an Überwachung der Nahrungsaufnahme die Dauer des exklusiven Stillens von 5,5 auf 3,9 Monate. Eine stärkere Limitierung von Milchmahlzeiten verkürzte die Dauer des exklusiven Stillens um 23 Tage. Das stärkere Aufzwingen von Mahlzeiten hatte zu keinem Zeitpunkt Einfluss auf die Stilldauer.
- Welche Ergebnisse Ihrer Studie sind noch zu erwarten?
Insgesamt haben wir einen unglaublich großen Pool unterschiedlichster Daten erarbeitet, welchen es nun auszuwerten und zu veröffentlichen gilt. Sehr gespannt sind wir auf die Daten des kindlichen Wachstums und des Trinkvolumens sowie des Ernährungsstatus der Mutter im Zusammenhang mit den Stoffwechseldaten. An diesen Auswertungen arbeiten wir aktuell.
Kontakt: moenie.vanderkleyn@fh-joanneum.at